Altenpflege: Warum Pflegekräfte nicht organisiert sind

Warum die Interessenvertretung in der Wachstumsbranche Altenpflege bislang so schwach ausgeprägt ist, hat Wolfgang Schroeder, Fellow am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) und Professor an der Universität Kassel, untersucht. Für seine Studie befragte er bundesweit 750 Beschäftigte in der Altenpflege.

Pflegekräfte in Deutschland sind kaum organisiert. Die wenigsten sind Mitglied in einer Gewerkschaft. Nur eines von zehn privaten Pflegeheimen hat einen Betriebsrat. Dabei gibt es viel, für das es sich zu kämpfen lohnt: weniger Zeitdruck, mehr Gehalt und selbstbestimmtere Arbeitszeiten. Um zu ermitteln, warum die Interessenvertretung in der Altenpflege bislang so schwach ist, hat das Wissenschaftszentrum Berlin eine Umfrage unter 750 Beschäftigten in der Altenpflege durchgeführt.

Kaum eine Branche wächst derzeit so stark wie die Altenpflege. Allein zwischen 1999 und 2015 stieg hier die Zahl der Beschäftigten um 460.000 auf knapp 1,1 Millionen. Die meisten arbeiten in Teilzeit (65 Prozent). Die große Mehrheit der Beschäftigen (85 Prozent) sind immer noch Frauen. Die Ursachen, warum sich Altenpflegerinnen und Altenpfleger nicht organisieren, sind vielfältig. Die Alten- und Krankenpflege steht noch immer in der Tradition eines wohltätigen „Liebesdienstes“.

 

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Dieses Denkmuster macht es schwer, aus Pflegejobs „normale Arbeitsverhältnisse“ zu machen und gemeinsam Rechte einzufordern, erläutert Wolfgang Schroeder. Als Fellow am Wissenschaftszentrum Berlin (WZB) hat er das Forschungsprojekt durchgeführt. Das zeigen auch die Antworten der Befragten. Knapp 70 Prozent sagten, sie erhielten die Wertschätzung für ihre Arbeit von den Patienten, aber nur 20 Prozent gaben an, dass ihre Arbeit von der Gesellschaft sehr geschätzt werde. Zu streiken bedeutet für 77 Prozent der Befragten, ihre Patienten im Stich zu lassen.

Die Branche ist zudem stark zerklüftet – in stationäre und ambulante Pflege, die verschiedenen Träger, gut ausgebildete Fachkräfte und angelernte Hilfskräfte. Die Ausbildung ist nicht einheitlich. Viele gelangen über Umwege in die Altenpflege und üben hier ihren Zweit- oder Drittberuf aus. Die Unterschiede bei Entlohnung, Arbeitsumfang und beruflicher Verweildauer sind entsprechend groß. „Das erschwert die Herausbildung eines kollektiven Selbstverständnisses, wie es zum Beispiel in der Industrie existiert“, sagt Schroeder.

Hohe Erwartungen an den Staat

Eine wirksame Durchsetzung von Interessen scheitert aber nicht nur daran, dass Arbeitnehmer und Arbeitgeber in der Altenpflege bislang keine kollektiven Arbeitsbeziehungen entwickelt haben. Neun von zehn Pflegekräften sehen nicht den Arbeitgeber, sondern den Staat in der Verantwortung für die Verbesserung ihrer Arbeitssituation. „Richtig ist, dass der Staat die Bedingungen grundlegend verbessern sollte. Aber es braucht die kollektive Selbstorganisation in den Betrieben und durch die Gewerkschaften, um für die Beschäftigten etwas zu erreichen“, sagt Schroeder. Nur so könne der Pflegeberuf aufgewertet werden.

In der Altenpflege gibt es zudem keine gewerkschaftliche Tradition. Das Berufsfeld hat sich in Deutschland, anders als in manchen anderen europäischen Ländern, fernab klassischer Formen der Interessenvertretung entwickelt. 81 Prozent der Befragten gaben an, noch nie durch eine Gewerkschaft angesprochen worden zu sein. Nur 11 Prozent der Befragten sind in einer Gewerkschaft, über die Hälfte hat noch nie über eine Mitgliedschaft nachgedacht. Gewerkschaften werden als Akteur der Veränderung kaum erkannt. Gerade weil ihnen die betriebliche Machtbasis fehlt, könnten die Gewerkschaften dann tatsächlich wenig bewirken. „Das ist ein Teufelskreis“, sagt Studienautor Schroeder. (wzb/betriebundarzt)

[su_box title=“WEITERE INFORMATIONEN ZUR STUDIE UND ZUM AUTOR“ box_color=“#b7cd41″]Die Studie Interessenvertretung in der Altenpflege. Zwischen Staatszentrierung und Selbstorganisation ist als Buch im VS Verlag für Sozialwissenschaften erschienen.

Wolfgang Schroeder forscht als WZB-Fellow in der Abteilung „Demokratie und Demokratisierung“ und ist Professor an der Universität Kassel.[/su_box]

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